7. November 2024

Trotz vielerorts implementiertem Schwimm- und Wassersicherheitsunterricht besteht Handlungsbedarf

Mit der Einbindung des Schwimm- und Wassersicherheitsunterrichts im Lehrplan 21 wurden in den angeschlossenen Kantonen die Grundlagen für eine nachhaltige Ertrinkungsprävention geschaffen. Die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG hat nun in einer grossangelegten Studie die Umsetzung und den aktuellen Stand an öffentlichen Schulen ermittelt. Dabei haben vor allem regionale Unterschiede und ein allgemeiner Handlungsbedarf resultiert.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Hohe Zustimmung zum Schwimm- und Wassersicherheits-Unterricht für die Ertrinkungsprävention: 87% der befragten Eltern und 83% der Schulleitenden bewerten den Schwimm- und Wassersicherheits-Unterricht als «sehr wichtig» oder «wichtig». Dabei steht vor allem die Fähigkeit zur Selbstrettung nach einem Unfall im Vordergrund.
  • Schwimmfähigkeiten nicht flächendeckend vermittelt: Nach Angabe deren Eltern, haben 13% der heute 13 bis 15 jährigen Jugendlichen, während ihrer bisherigen Schulzeit keinen Schwimmunterricht erhalten.
  • Wasser-Sicherheits-Check (WSC) nur teils angewandt: Der WSC testet die vorhandenen Kompetenzen zur Selbstrettung. Während 66% der Schulleitenden den WSC in ihrer Schule einsetzen, variiert dessen Anwendung je nach Region deutlich.
  • Bedarf an qualifizierten Lehrpersonen: 18% der Schulleitenden sehen ein Defizit an Fachwissen bei Lehrkräften als grösste Herausforderung zur Umsetzung des Schwimm- und Wassersicherheitsunterrichts. Werden für den Unterricht schulexterne Personen hinzugezogen, so verfügen dies nur in bedingtem Masse über eine pädagogische Qualifikation im Sinne der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK).
  • Heterogenität in der Klasse als grosse Herausforderung für Lehrpersonen: Als zentrale Herausforderung im Schwimm- und Wassersicherheitsunterricht benennen Lehrpersonen die Heterogenität in der Klasse. Die Kinder weisen teils ein sehr unterschiedliches bestehendes Schwimmniveau auf.

Die Studie

Die SLRG führte in Zusammenarbeit mit gfs-zürich eine umfassende Befragung durch, die sowohl Eltern als auch Schulleitende und Lehrpersonen einbezog. Ziel war es, ein klares Bild des Schwimm- und Wassersicherheitsunterrichts in der Schweiz zu zeichnen und Grundlagen für dessen Weiterentwicklung zu schaffen. In der Studie wird betont, dass Chancengleichheit eine wesentliche Rolle spielt, da finanzielle Hürden den Zugang zu privatem Schwimmunterricht erschweren.

Mit dieser Erhebung möchten wir dazu beitragen, die Bedeutung des Schwimm- und Wassersicherheitsunterrichts stärker ins Bewusstsein zu rücken und gezielte Verbesserungen anzustossen. Jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, grundlegende Schwimm- und Wassersicherheitskompetenzen zu erlernen.
Christoph Müller, Projektleiter der Studie bei der SLRG

Der sichere Aufenthalt am, im und auf dem Wasser basiert nicht nur auf der Fähigkeit, Schwimmen zu können. Vielmehr sind es die Wassersicherheitskompetenzen, welche in jedem Alter vor Wasserunfällen mit tragischem Ende schützen können. Die Implementierung der Schwimm- und Wassersicherheitskompetenzen im Lehrplan 21 war  ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Ertrinkungsprävention. In zwei gross angelegten Studien hat die SLRG zusammen mit  gfs-zürich eruiert, wie die entsprechenden Vorgaben umgesetzt werden und an welchen Stellen noch Handlungs- oder Unterstützungsbedarf besteht. Hierfür wurden getrennt die Lehrer:innen und Schulleitenden sowie die Eltern in Bezug auf ihre Kinder befragt – auch in der Romandie und dem Tessin, welche eigene sprachregionale Lehrpläne kennen.

Unterschiede zwischen Stadt und Land

Grundsätzlich erkennen 87% der Eltern die Wichtigkeit eines Schwimm- und Wassersicherheitsunterrichts an. Gar jedes fünfte Elternteil wünscht sich regelmässigeren oder häufigeren Unterricht. Fast ein Drittel der befragten Eltern erachten das Erlernen verschiedener Schwimmstile als wichtig. Dabei darf wohl angenommen werden, dass vielenorts das Beherrschen eines Schwimmstiles als eine wichtige Fähigkeit angesehen wird, dem Ertrinken vorzubeugen. Aufgrund anderer Studien ist jedoch belegt, dass in einem Schwimmbad erlernte Wasserkompetenzen nicht direkt in offene Gewässer transferiert werden können. Sicherlich kann jedoch festgehalten werden, dass jeder Schwimm- oder Wasserunterricht besser ist als gar keiner. Nach Angabe der jeweiligen Eltern haben 13% der heute 13- bis 15-jährigen Jugendlichen, während ihrer bisherigen Schulzeit keinen Schwimmunterricht erhalten. Das aktuelle Jahr betrachtet, ergeben sich interessante Aspekte bezüglich dem Unterschied von Stadt und Land. Während der Anteil der Kinder, welche im aktuellen Jahr eine solche Wassserausbildung durchlaufen haben, in urbanen Regionen bei 56% liegt, zeigt sich in den Agglomerationen und auf dem Land ein deutlich geringerer Prozentsatz von 41% und 43%.  Dies obwohl 87% der befragten Eltern und 83% der Schulleitenden den Schwimm- und Wassersicherheits-Unterricht als «sehr wichtig» oder «wichtig» erachten. Dabei stehe vor allem die Fähigkeit zur Selbstrettung nach einem Unfall im Vordergrund.

Unterricht an offenen Gewässern

Die Gründe für einen fehlenden Schwimm- oder Wassersicherheitsunterricht sehen knapp 40% der Eltern bei nicht genügend oder fehlenden Hallen- oder Freibädern in der Gemeinde oder dem zu langen Anreiseweg (14%). Auch bei dieser Frage ist ein grosser Unterschied zwischen Stadt und Land auszumachen. Werden die Sprachregionen gesondert betrachtet, lagen die deutsch und französischsprachige Gebiete gleich auf, in der italienischen Schweiz jedoch scheint der erschwerte Zugang zu Wasserfläche spürbarer zu sein. Mancherorts könnte diesem Umstand mit entsprechenden Unterrichtseinheiten in offenen Gewässern wie einem See Abhilfe geschaffen werden. Die Mehrheit der Eltern wäre durchaus offen für einen Unterricht im See, sofern die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden. Diesem Bestreben stehen die Lehrpersonen und Schulleitenden skeptischer gegenüber. Als Grund werden die möglichen Risiken sowie der längere Anreiseweg angegeben. Die SLRG ist jedoch überzeugt, dass mit geeigneten Konzepten sowie einer entsprechenden Ausbildung der jeweiligen Lehrpersonen diese Hürden überwunden werden könnten und somit den lebenswichtigen Schwimm- und Wassersicherheitsunterricht durchaus in einem See durchgeführt werden könnte. Durch eine diversifizierte und fundierte Ausbildung in Bereich Schwimm- und Wassersicherheit der Lehrpersonen könnte auch der Unterricht an offenen Gewässern vermehrt thematisiert werden. Dadurch könnten die Kinder zusätzlich an die unterschiedlichen Gegebenheiten des offenen Gewässers gewöhnt und auch auf die vorherrschenden Risiken direkt sensibilisiert werden. Allgemein müsste gemäss der Studie jedoch ein stärkerer Fokus auf die Ausbildung der Lehrpersonen gelegt werden. Denn 18% der Schulleitenden sehen ein Defizit an Fachwissen bei Lehrkräften als grösste Herausforderung zur Umsetzung des Schwimm- und Wassersicherheitsunterrichts. Werden für den Unterricht schulexterne Personen hinzugezogen, so verfügen diese nur in bedingtem Masse über eine pädagogische Qualifikation im Sinne der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK).

Basierend auf den Ergebnissen regt die SLRG insbesondere folgende möglichen Massnahmen an:

  • Schaffung sicherer Lernorte in Seen: Ein Drittel der befragten Schulleitenden und Lehrpersonen sowie 72% der Eltern wären offen für Unterricht an geeigneten Seen. Die SLRG empfiehlt daher die Entwicklung schulübergreifender Lernorte an offenen Gewässern.
  • Förderung der Ausbildung von Lehrkräften: Die Integration von fachdidaktischen Inhalten zur Vermittlung von Schwimm- und Wassersicherheit in die Ausbildung von Lehrpersonen an pädagogischen Hochschulen.
  • Steigerung der Unterrichtsqualität externer Lehrpersonen: Um die Kompetenzen der Lehrpersonen zu erhöhen, sollen Mindestqualifikationen für externe Schwimmlehrpersonen festgelegt werden.

Die vollständige Studie ist hier verfügbar.